Straßenwärter sind auf der Autobahn die Mädchen für alles. Sie putzen, reparieren, sichern schreckliche Unfälle ab. Straßenwärter riskieren für uns ihr Leben – und werden dafür auch noch beschimpft.
Wenn Frank Güldenring nicht mit den Ohren „sehen“ könnte, wäre er vielleicht schon tot. Sobald der Straßenwärter hinter sich Reifen quietschen oder einen ausgekuppelten Lkw-Motor aufheulen hört, weiß er: Er muss jetzt um sein Leben rennen; muss, so gut es geht, Schutz suchen im Gebüsch neben der Autobahn oder im Mittelstreifen. Ganz schnell, bevor es zu spät ist. „Mit den Jahren entwickelt man das richtige Gespür und Gehör für die Gefahr“, sagt Güldenring. Seinem Kollegen Frank K. rettete auch sein Gehör nicht das Leben. Als er im Juni 2002 auf der A 3 bei St. Augustin Fugen goss, erfasste ihn ein Lkw. Zwei Kinder verloren ihren Vater, eine schwangere Frau ihren Mann. Der Job des Straßenwärters ist einer der gefährlichsten.
Straßenwärter – ein Job zwischen Leben und Tod
Nach einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen nehmen auf Autobahnen Schwere und Anzahl der Unfälle mit Straßenwärtern und -bauarbeitern zu – entgegen dem allgemein rückläufigen Trend. „Es vergeht kein Tag ohne schweren Unfall. Pro Jahr sterben in Deutschland acht bis zehn Kollegen“, sagt Siegfried Damm, Chef der Gewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten (VDStra). Ein Tag mit der Kolonne von Truppführer Frank Güldenring reicht, um die permanente Gefahr zu spüren. Um acht Uhr morgens steuern er und seine Kollegen von der Autobahnmeisterei St. Augustin einen Tross aus sechs Lastwagen auf die A 3. Langsam tastet sich der orangefarbene Lindwurm auf die linke Spur, drosselt das Tempo, um schließlich ganz zu stoppen.
Auf dem Standstreifen warnen zuvor in 300 und 600 Meter Entfernung zwei Lkw mit Tafeln vor den Menschen auf der Fahrbahn. Doch viele Fahrer haben mehr als die erlaubten 80 km/h drauf. Ein weißer Audi zieht gerade noch vor dem großen blauen Pfeil nach rechts. Allein in Nordrhein-Westfalen (NRW) geht jede Woche so eine Absperrtafel kaputt. Ingo Weinkauf steuert das hinterste Fahrzeug der Mähkolonne, den Vorwarner.
Als Erster kündigt er auf dem Standstreifen die Wanderbaustelle an. Aus Sicherheitsgründen sitzt er in einem 18 Tonnen schweren Lkw, im Schlepptau ein Anhänger mit dem Einfädelsymbol und einem Tempo-100-Schild. Lkw brausen nur wenige Zentimeter am Seitenfenster vorbei, Weinkauf schaut in den Außenspiegel – ein Verschleißteil. „Der ist nagelneu“, sagt der 32-Jährige. Noch häufiger zerstören Schrauben und Nägel auf dem Standstreifen die Reifen. Jeden Tag muss die Autobahnmeisterei St. Augustin einen Pneu ersetzen. Und manchmal ein ganzes Fahrzeug: Im Winter drängte ein Pkw einen Kleinlaster der Meisterei gegen eine Betonwand, zwei Straßenwärter wurden leicht verletzt. Trotz ständiger Gefahr sind die Männer in Orange für viele ein rotes Tuch.
Sie werden beschimpft, beworfen und bespuckt
Das erste Temposchild steht 600 Meter vor der Wanderbaustelle.
Frank Güldenring legt den Finger auf eine Narbe über der Augenbraue. Ein staugeplagter Autofahrer war ausgerastet und hatte einen Pfirsichkern auf ihn gefeuert – aus einem fahrenden Wagen heraus. Der Stein flog schnell wie ein Geschoss, haarsscharf am Auge des Straßenwärters vorbei. „Auch mit Dosen werden wir ständig beschmissen“, sagt der kräftige Mann traurig. Das Schmerzensgeld: zwischen 1740 und und 2250 Euro Monatslohn. Gefahrenzulagen? Fehlanzeige. Gewerkschafter Damm fordert diese schon lange: „Überdurchschnittliche Belastungen werden normalerweise mit der Zahlung von Erschwernis- oder Gefahrenzulagen abgegolten.“ Damm kämpft auch für eine bessere Baustellen-Absicherung. Ein Anfang ist gemacht. In NRW rütteln neuerdings Plastikschwellen vor Baustellen wach.
Kommentar von AUTO BILD-Redakteur Claudius Maintz
Straßenwärter sind auf der Autobahn die Mädchen für alles: Sie putzen, mähen, reparieren, sichern schreckliche Unfälle ab – in unser aller Interesse. Dennoch sind sie oft die Prügelknaben. Sie werden beschimpft, bespuckt, beworfen. Kaum zu glauben, dass aus Wut über einen Stau Dosen auf Menschen geworfen werden. Denn die Autobahnarbeiter können am wenigsten für Stop-and-go und Stillstand. Sie wollen schnell den Weg wieder frei machen. Und setzen dabei ihr Leben aufs Spiel – für uns alle.
Daher: Fuß vom Gas für die Alltagshelden in Orange!
Autor: Claudius Maintz
Redaktion AutoBild