Einkommensrunde 2021 im Geltungsbereich des TV-L
Hände weg vom Arbeitsvorgang!
Die TdL plant Herabgruppierungen
Im Herbst 2021 findet die Einkommensrunde mit den Ländern statt. Eigentlich ist das der richtige Moment, den Beschäftigten Wertschätzung zu zeigen und „Danke“ zu sagen, dass sie im Landesdienst in den letzten zwei Jahren und insbesondere während der Pandemie tolle Arbeit geleistet haben. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) schlägt jedoch einen anderen Weg ein. Sie hat angekündigt, mit einer Neudefinition des so genannten Arbeitsvorgangs an die Eingruppierung und damit an die Entgelthöhe bei vielen Beschäftigten ran zu wollen. Laut TdL wird es im Herbst keine Tarifeinigung geben, wenn nicht die Gewerkschaften ihre Zustimmung zu Verschlechterungen bei der Eingruppierung geben.
Die TdL will die Konfrontation! Die TdL will eine Verschlechterung der Eingruppierung! Folglich will die TdL in einer Zeit, in der es schon an allen Ecken und Enden an Fachpersonal mangelt, nur eines: Geld sparen! Auf Eure Kosten!
Arbeitsvorgang – was ist das überhaupt?
Im Arbeitsvertrag ist eine Entgeltgruppe anzugeben, die das Entgelt für die Kollegin oder den Kollegen auf dem Arbeitsplatz bestimmt. Nicht maßgeblich sind Stellenpläne oder Haushaltsmittel. Die Entgeltgruppe ist regelmäßig auch nicht Verhandlungssache, sondern ein Bewertungsergebnis aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) unter Einschluss der Entgeltordnung. Diese Bewertung trifft pflichtgemäß der Arbeitgeber. Was ist dabei zu beachten? Beim Vorgang der Eingruppierung gilt die Tarifautomatik, also die Feststellung der Entgeltgruppe aus der auszuübenden Tätigkeit. Das umfasst alles, wozu der Arbeitgeber anweist. Für die Feststellung nutzt der TV-L wie bereits die Vorgängerregelung im BAT denselben Rechtsbegriff: Arbeitsvorgang. Er überträgt die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung auf den Arbeitsplatz. Arbeitgeber sind verpflichtet, für jeden Arbeitsplatz Arbeitsvorgänge zu bilden und diese an den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung zu überprüfen. Der Arbeitsvorgang hat für die Feststellung der Entgeltgruppe nach § 12 TV-L also die zentrale Bedeutung. Eingruppierend wirkt regelmäßig der Arbeitsvorgang, wenn er – oder mehrere gleichbewertete Arbeitsvorgänge – wenigstens 50 Prozent der Arbeitszeit umfasst (Hälftemaß). Der zeitliche Umfang vom Arbeitsvorgang ist entscheidend. Die TdL will die Bildung von Arbeitsvorgängen entscheidend ändern und konkret den zeitlichen Umfang klein rechnen. Was zählt denn eigentlich zu einem Arbeitsvorgang? In den Blick genommen werden alle Aufgaben, die auf dem Arbeitsplatz zu erledigen sind. Hierbei hat der Arbeitsvorgang eine Klammerwirkung für die einzelnen Tätigkeiten und fügt zusammen, was mit Ausrichtung auf ein Arbeitsergebnis anfällt. Die Tätigkeitsmerkmale werden damit am gewünschten Arbeitsergebnis unter Zusammenfassung aller dafür benötigten Arbeitsschritte überprüft, auch wenn sie unterschiedliche Fachkenntnisse erfordern oder unterschiedlich schwierig und verantwortungsvoll sind. Entscheidend für die Bewertung des Arbeitsvorgangs ist, dass in der Aufgabenerledigung eine Tätigkeitsanforderung besteht. Dann macht sie die Bewertung des Arbeitsvorgangs aus und ergibt die Entgeltgruppe. Auf den zeitlichen Anteil der konkreten Anforderung selbst kommt es nicht an. Ein Arbeitsvorgang kann schließlich nur ganz oder gar nicht die Tätigkeitsanforderung der Entgeltgruppe bestätigen.
Ist diese Position rechtlich umstritten?
Nein – im Gegenteil. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zur Eingruppierung von Beschäftigten im Justizdienst im Bereich des Bundes sowie der Länder seine Rechtsprechung bekräftigt. Ausdrücklich stellt das BAG fest: Der Arbeitsvorgang bestimmt sich ausnahmslos ohne Rücksicht auf die unterschiedliche tarifliche Wertigkeit von Einzeltätigkeiten. Dem Gericht kam es nicht auf den zeitlichen Anfall der Einzeltätigkeit wie zum Beispiel der „schwierigen Tätigkeit“ an, sondern auf den zeitlichen Umfang des gesamten Arbeitsvorgangs, der diese Einzeltätigkeit erfordert. Der dbb stimmt mit dieser Rechtsprechung überein. Die Arbeitgeber wollen die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts nicht akzeptieren und jetzt kurzerhand den TV-L zu ihren Gunsten ändern. Eigentlich könnte der Arbeitgeber das Problem durch die Arbeitsorganisation in der Dienststelle entschärfen. Schließlich gestattet ihm das Weisungsrecht anzuordnen, wer was und mit welcher Verantwortung zu machen hat. Allerdings haben die Länder-Arbeitgeber in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben an immer weniger Personalverteilt. Dass sich dabei viele Arbeitsvorgänge für den Einzelnen verkompliziert haben, war unausweichlich. Beim Ausdünnen der Personaldecke haben die Arbeitgeber das erste Mal gespart und jetzt wollen sie sich mit ihrer ultimativen Forderung nach Veränderungen beim Arbeitsvorgang noch einmal bedienen. Ganz praktisch würde das bedeuten: Die Arbeitgeber wollen höherwertige Arbeitsergebnisse, die nach geltender Rechtsprechung die Entgeltgruppe 7, 8 oder 9a ergeben, nur noch nach Entgeltgruppe 6 bezahlen. Das würde massive Verschlechterungen für unzählige Kolleginnen und Kollegen bedeuten. Dazu werden wir nicht „Ja“ sagen. Darüber wird im Herbst, während der Einkommensrunde, ein massiver Streit entbrennen.
Warum spielt die TdL das Problem gerade jetzt?
Dass die Finanzminister der Länder schlicht Geld sparen wollen, wurde bereits erwähnt. Und wenn man bei einer Einkommensrunde das Geld, das man durch eine Einkommenserhöhung hergeben muss, durch eine strukturelle Verschlechterung bei der Eingruppierung gleich doppelt und dreifach wieder reinholen kann, dann freuen sich die Finanzminister der Länder. Aber spannend ist nicht allein die Forderung an sich, sondern die unversöhnliche Art, mit der die TdL ihre Forderung durchboxen will. Ohne ein Einknicken der Gewerkschaften beim Thema Arbeitsvorgang soll es bei der Einkommensrunde keinen Abschluss geben. Dass die TdL das ernst meint, zeigt sie schon seit Monaten. Tarifverhandlungen zu drängenden Themen sind schon seit längerer Zeit mit der TdL nicht mehr möglich. Da, wo wir uns gemeinsam Gedanken machen sollten, wie wir den öffentlichen Dienst attraktiv und konkurrenzfähig gestalten können, rührt die TdL Beton an und verweigert Verhandlungen. Wir müssen davon ausgehen, dass die anstehende Einkommensrunde seitens der TdL härter und kompromissloser als in den letzten Jahren geführt wird. Wenn das so kommt, müssen wir gemeinsam entsprechend reagieren können! Dieser Beitrag ist gewissenhaft auf dem Stand Juli 2021 erstellt. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit. Rechtsansprüche jeglicher Art gegenüber dem Herausgeber können aus dem Inhalt nicht abgeleitet werden.